Worum geht es dabei genau?
Gegen Ende 1921 führte die Deutsch-Kolumbianische Luftverkehrsgesellschaft (Sociedad Colombo-Alemana de Transportes Aéreos, SCADTA) die Luftbildfotografie im nördlichen Südamerika ein. Das Unternehmen wurde 1919 von kolumbianischen und deutschen Geschäftsleuten in der Stadt Barranquilla gegründet, wobei die Situation in Europa nach dem Ersten Weltkrieg eine nicht unerhebliche Rolle spielte. So beschränkte in der Nachkriegszeit der Versailler Vertrag Deutschlands Fähigkeit, Flugzeuge zu bauen und zu verkaufen, obwohl die Luftfahrt des Landes einen beispiellosen Boom erlebt hatte. Unter den Bedingungen des Versailler Vertrags waren die meisten Piloten und Mechaniker arbeitslos geworden, während die Flugzeugbauer gezwungen waren, neue Absatzmärkte in Übersee zu erschließen. Auf der anderen Seite des Ozeans herrschte hingegen enormes Interesse, Flugzeuge zu erwerben und eigene Luftverkehrsnetze aufzubauen. In diesem Zusammenhang investierte der österreichische Geograf und Unternehmer Peter Paul von Bauer, der Kolumbien von einer früheren Forschungsreise (1911–1913) kannte, in die SCADTA. Dabei machte er sich sowohl die Verfügbarkeit hochqualifizierter Arbeitskräfte in Deutschland als auch die „natürliche Infrastruktur“ Kolumbiens, sprich das Vorhandensein großer Flussläufe, zu Nutze. So setzte die SCADTA ab 1920 auf den Einsatz von Wasserflugzeugen entlang des Magdalena-Flusses, über den sich die wichtigsten Bevölkerungszentren des Landes verbinden ließen.
Obwohl zu den Ursprüngen der SCADTA sowie ihrer Rolle beim Aufbau eines interamerikanischen Flugliniennetzes bereits einige Studien vorliegen, ist die Pioniertätigkeit des Unternehmens im Bereich der Luftbildfotografie, die sich neben Kolumbien auch auf Panama, Venezuela, Ecuador und Peru erstreckte, noch nicht umfassend erforscht worden. Tatsächlich war die 1921 gegründete Wissenschaftliche Abteilung der SCADTA so erfolgreich, dass die deutsche Firma Junkers, deren Ganzmetall-Flugzeuge aufgrund ihrer konkurrenzlosen Leistung unter tropischen Bedingungen in Südamerika weit verbreitet waren, ab 1924 eine eigene Luftbildabteilung (Junkers-Luftbildzentrale) nach dem Vorbild der SCADTA einrichtete. Während Luftbilder in Deutschland und Europa vor allem verwendet wurden, um bestehende Infrastruktur zu verbessern oder die Stadt- und Landschaftsplanung zu erleichtern, ging es in Südamerika eher um die Kartierung und Erschließung gänzlich unbekannter Gebiete, die sich abseits jeglicher Staatsgewalt befanden. In Südamerika war die Luftbildfotografie daher ein entscheidendes Mittel für den Aufbau des Nationalstaats, da sie die Entwicklung von Karten, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, den Bau von Infrastrukturen sowie die Festlegung umstrittener internationaler Grenzen ermöglichte. Dieser Prozess der staatlichen und infrastrukturellen Durchdringung in Grenzgebieten wurde jedoch von gewalttätigen Praktiken wie der Vertreibung und Enteignung indigener Bevölkerungsgruppen begleitet.
Da die Archive der SCADTA im Zuge der Nationalisierung des Unternehmens im Jahre 1940 weitgehend verloren gegangen sind, kommen dem Junkers-Firmenarchiv am Deutschen Museum in München sowie dem Nachlass des Geografen Carl Troll am Geografischen Institut der Universität Bonn eine besondere Bedeutung für dieses Projekt zu. Das GIUB-Archiv enthält beispielsweise Briefwechsel zwischen Troll und dem Führungspersonal der SCADTA, insbesondere mit Peter Paul von Bauer. Der spätere Inhaber des Lehrstuhls für Geografie an der Universität Bonn, Prof. Dr. Carl Troll, war zwischen 1928 und 1929 bei der SCADTA als Landvermesser beschäftigt. Während seines Aufenthalts fertigte er unter anderem Studien über die Küstenlandstriche Ecuadors, Kolumbiens und Panamas an. Daneben lernte er auch die Technologie der Luftbildfotografie kennen, die sein späteres Schaffen stark beeinflusste und sich in seinen Arbeiten zur Landschaftsökologie niederschlug.