Die Wirkung der Bonner Kolonialgeographen soll nicht verschwiegen werden. Aber wie kann heute ein Umgang damit aussehen? Am Beispiel der Ehrung Carl Trolls mit der GIUB-Infostation diskutierten Studierende und Mitarbeitende im Sommersemester sehr grundsätzlich.
Rückblick: In der ersten Veranstaltung zu Beginn des Semesters stand die Frage im Raum, inwiefern eine Verwobenheit der Disziplin Geographie mit der kolonialen Vergangenheit bestehe und was dies für die wissenschaftlichen Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Zeitumständen bedeute. Die Vorstellung einer vermeintlich objektiven und (politisch) neutralen Wissenschaft ist aus heutiger Sicht weder tragbar noch nachvollziehbar, das belegen allein die Terminologien in den damaligen Publikationen sowie das zeitgenössische gesellschaftliche Grundverständnis. Mit den Frankfurter Professor*innen Bernd Belina und Antje Schlottmann gelang ein Diskussionsauftakt, der in zwei Richtungen zielte. Der erste war das bis in die Gegenwart reichende Phänomen einer überausgebeuteten und dabei verunsichtbarten Arbeiter*innenschaft im Zusammenhang mit Rassismus. Rassismus, als „Grundpfeiler der Moderne“, sei im Kolonialismus „hoffähig“ geworden. Der zweite Gedanke streifte die Forschungspraxis im globalen Süden. Die selbstverständliche Mitnahme von Forschungsdaten aus den Untersuchungssgebieten und die kaum vorhandene Möglichkeit der Partizipation am Forschungsprozess für die dortigen Akteure zeugen noch heute von kolonialen Kontinuitäten.
Zur Annäherung an die kolonialen Spuren im GIUB am Beispiel der Infostation fanden am 10. Juli Workshops mit drei Expertinnen statt.
Workshop I wurde von der Künstlerin Cheryl McIntosh angeleitet, die erst vor kurzem mit ihrer Ausstellung „Counter Thoughts, Counter Images“ die koloniale Vergangenheit Bonns und deren Auswirkungen auf die Gegenwart thematisierte. Ausgehend von Fotografien, die Carl Troll während seiner Expeditionen nach Afrika und Südamerika angefertigt hatte, wurde zunächst über die Wirkmächtigkeit kolonialer Bilder diskutiert. Ebenso wie die derzeitige Aufmachung der Carl Troll-Infostation verschleiern diese die machtvolle Dimension geographischer Wissenschaft, die koloniale Herrschaft ermöglichte und legitimierte. Vor diesem Hintergrund wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, diesen der geographischen Forschung inhärenten Aspekt visuell an der Station offenzulegen.
Workshop II unter der Leitung von Dr. Elisabeth Kirndörfer widmete sich dem partizipativen Prozess, der sich rund um die Carl Troll-Infostation entfaltet, an sich: Wessen Perspektiven werden hier gehört und wie kann eine möglichst breite und vielstimmige Partizipation gewährleistet werden? Wie verhält es sich um die Balance zwischen studentischer Partizipation und institutioneller Verantwortung? Gefordert wurde mehr Transparenz im Aufarbeitungsprozess und seine öffentlich zugängliche Dokumentation. Weiter ergab der Austausch, dass andere zivilgesellschaftliche Gruppen in den Prozess einbezogen werden sollten, um ihn breiter in der Bonner Stadtgesellschaft und ihrem Umgang mit kolonialen Spuren zu verankern. Letztlich äußerten die Teilnehmenden die Sorge, dass es ohne weitere „disruptive“ Aktionen zu einem Einschlafen des Prozesses kommen könne, oder gar zu Gegenbewegungen.
Im Rahmen des Workshops III, geleitet durch Jun.-Prof. Dr. Julia Binter (Argelander-Professorin für Kritische Museums- und Heritage Studien, Universität Bonn), befassten sich die Teilnehmenden am Beispiel der Carl Troll-Infostation mit der Frage, wie die Auswahl und kuratorische Präsentation von Ausstellungsobjekten die Narrative eines historischen Erbes beeinflussen (können). Im Fokus stand zunächst das Erscheinungsbild der Infostation und die durch diese ausgelösten Gefühle. Ausgehend von diesem analytischen Zugriff auf den Ist-Zustand wurden resultierende Fragen formuliert und dann der Blick in die Zukunft gerichtet und diskutiert wovon die Infostation künftig mehr bzw. weniger haben sollte.
Dieser gehaltvolle „Mittwoch im GIUB“ stellt einen wichtigen Meilenstein in der Überarbeitung der Station dar. Das Wintersemester bietet nun die Gelegenheit, in Lehrveranstaltungen und Arbeitsgruppen konkreter in der Ausarbeitung zu werden, um Mitte 2025 das Institutsjubiläum „175 Jahre GIUB“ mit einer veränderten Infostation begehen zu können.