Prof. Dr. Lisa Schipper und ihr Kollege Prof. Dr. Ottmar Edenhofer sind bereits seit vielen Jahren an der Entstehung des IPCC-Berichts maßgeblich beteiligt. Lisa Schipper koordinierte am aktuellen, sechsten Sachstandsbericht die Arbeitsgruppe II, Ottmar Edenhofer war als Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe III des fünften Sachstandsberichts tätig. Beide sind renommierte Forscher*innen und beschäftigen sich in ihrer Forschung und Lehre mit den ökonomischen und sozialen Auswirkungen des Klimawandels.
Das Interview beginnt mit der Aussage von Lisa Schipper, dass der IPCC uns schon weit gebracht habe. Sie betont „[o]hne ihn gäbe es keine UN-Klimakonvention, keine globale Klimapolitik im Rahmen der Vereinten Nationen, kein Pariser Abkommen“. Trotzdem werfen die beiden Forscher*innen auch einen kritischen Blick auf den IPCC-Bericht und den Weltklimarat.
Ihre Kritik beinhaltet die politischen Hürden, denen die Wissenschaft und Wissenschaftler*innen häufig gegenüberstehen. Trotz großer politischer Erfolge, wie der Zusammenarbeit zur Verabschiedung des Pariser Abkommens, seien viele Staaten und Regierungen für nachhaltige und zum Teil schwerwiegende Veränderungen noch nicht offen. Es gelte die politische Neutralität des Berichts zu wahren und gleichzeitig konkrete Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger*innen auszusprechen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Einbeziehung einer „bestimmten Art von Wissenschaft“, wodurch andere wissenschaftliche Bereiche und Informationen häufig keine Berücksichtigung fänden, zum Beispiel die Meinungen und das Wissen indigener Völker. Der Fokus läge weiterhin auf rationalen, mathematisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen. Vermeintlich „unwissenschaftliches“ Wissen fände oftmals keine Beachtung. Außerdem müsse die Diversität innerhalb des IPCC steigen: das Wissen von Forscher*innen aus Ländern des Globalen Südens und aus sozialwissenschaftlichen Disziplinen wäre laut Lisa Schipper eine große Bereicherung.
Mit einem Blick in die Zukunft betonen Prof. Dr. Lisa Schipper und Prof. Dr. Ottmar Edenhofer noch einmal, wie wichtig es ist mit verschiedenen Kulturen, Disziplinen und Kontexten zusammenzuarbeiten um Wissenslücken zu schließen und die Themen Klimaschutz und -anpassung noch stärker auf die politische Agenda zusetzen. Prof. Dr. Ottmar Edenhofer sieht zwischen dem Weltklimarat und der katholischen Kirche einige Parallelen. Er beschreibt beide als „sehr konservative Institution, mit scheinbar unverrückbaren Ritualen, mit langem Atem und getragen von einer wichtigen historischen Mission“. Vor diesem Hintergrund sieht er den IPCC nicht dazu in der Lage zu identifizieren, welche Art von Regierungsführung und politischen Instrumenten eingesetzt werden müssen, um den Klimaschutz weiter zu stärken. Von dem am 20. März neu erschienenen Synthesebericht erhoffen sich beide „ein bisschen neuen Schwung“, der dazu beiträgt die politischen Rahmenbedingungen nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten.